Es ist und bleibt ein hitziges Thema. Nicht nur in Australien, sondern weltweit. Die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts im Zusammenhang mit der Sicherheit im eigenen Land steht ganz oben auf der Agenda.
So überrascht es wenig, dass auch die Staatsbürgerschaft als Anknüpfungspunkt zur Bekämpfung des Terrorismus dient.
Die Frage ist: ist der Passentzug DAS probate Mittel? Wie verträgt es sich mit der Rechtsstaatlichkeit? Und was ist die Alternative, wenn sich die Bürger aus dem eigenen Land entscheiden dem IS anzuschließen?
Dreh- und Angelpunkt sind verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten, die es in Einklang zu bringen heißt.
So will die australische Regierung den Passentzug bei Personen, die sich terroristischer Verbrechen strafbar gemacht haben, beschleunigen. Sollte der Gesetzesentwurf von Ende 2018 umgesetzt werden, wäre die australische Lösung wohl die mit den weitreichendsten Möglichkeiten sich gegen Terroristen zur Wehr zu setzen.
Die bisherige Gesetzeslage von 2015 erlaubt es die australische Staatsbürgerschaft in zwei Fällen zu entziehen:
- wenn ein australischer Staatsbürger im Ausland Handlungen vornimmt, die gegen nationale sicherheitsrechtliche Gesetze verstoßen - unabhängig von einer Verurteilung
- wenn ein australischer Staatsbürger im Inland sicherheitsrechtliche Straftaten begeht, die eine Haftstrafe von mindestens sechs Jahren nach sich zieht
Voraussetzungen ist bislang ferner, dass die Person die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt. Die Entziehung der australischen Staatsbürgerschaft kann demnach nicht zur Staatenlosigkeit führen.
Genau hier aber wollen Premierminister Scott Morrison und Innenminister Peter Dutton nun ansetzen. Die Schwelle zur Entbürgerung soll herabgesetzt und die Auswahlliste an Entziehungsgründen erweitert werden. Australien soll für extremistische Staatsbürger nicht mehr länger ein Zuhause sein.
Bleibt die Frage, was passiert, wenn die Person keine doppelte Staatsbürgerschaft hat, die eine bereits entzogen wurde oder man nicht ohne weiteres bestimmen kann, ob sie zusätzlich eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzt. Folge wäre die Staatenlosigkeit, welche wiederum ein Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zur Verringerung der Staatenlosigkeit von 1961 nach sich ziehen würde.
Dennoch beabsichtigt die australische Regierung den schnellen Passentzug.
Unklarheiten darüber, ob entsprechende Personen noch Staatsbürger in einem anderen Land sind, will die Regierung mit einer unbefristeten Inhaftierung überbrücken. Eine im Inland begangene Straftat wegen eines Verbrechens gegen die Sicherheit soll auch dann schon zu einer Abschiebung führen, wenn die verhängte Strafe weniger als sechs Jahre beträgt. Ferner sollen Staatsbürgern, die sich einst dem IS angeschlossen haben, die Einreise für zwei Jahre verweigert werden.
Wie der Gesetzesentwurf letztlich umgesetzt werden soll, ist noch nicht bekannt. Deutlich wird jedoch, dass der Minister die Befugnis haben soll zu entscheiden, wie und ob und unter welchen Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll.
Berechtigterweise mehren sich die Stimmen, die die Verfassung in Gefahr sehen. „Ausgehebelt durch eine Ermessensentscheidung des Ministers“ heißt es vielfach. War die Gesetzesänderung im Jahr 2015 noch notwendig und die Liste der Straftaten zum Staatsbürgerschaftsentzug angemessen und verhältnismäßig, stellt sich nun die Frage, was sich seitdem verändert hat. Wie will die Regierung die Verschärfung der Entziehungsgründe rechtfertigen, wo sich die nationale Bedrohung seit dem Jahr 2015 doch garnicht verändert hat? Und global gesehen, wo führt die Ausbürgerung hin? Reicht es den Terrorismus im eigenen Land zu bekämpfen, in dem man einzelne Bürger ausweist? Die Frage ist, was passiert danach?
Demgegenüber wird auch in Deutschland nach einer Lösung zur Bekämpfung des Terrorismus gesucht. Dabei soll primär nicht an die Staatsbürgerschaft angeknüpft werden. Hierbei spielt insbesondere der willkürliche Entzug der Staatsangehörigkeit zur Zeit des Nationalsozialismus eine große Rolle.
Das Grundgesetz - als Lehre des Nationalsozialismus - sieht grundsätzlich keinen Entzug der Staatsbürgerschaft vor. Art. 3 Abs. III GG sowie Art. 16 Abs. I S. 1 GG, stehen dem entgegen. Wenn auch Art 16 Abs. I S. 2 GG mit dem „Verlust der Staatsangehörigkeit“ iVm. dem StAG ein Hintertürchen offen lässt (http://www.doppeltestaatsbuergerschaft.com.au/blog/terroristen-und-der-verlust-von-staatsangehorigkeiten).
Aber auch völkerrechtlich in Art. 15 EMRK wird das Recht auf eine Staatsangehörigkeit postuliert.
„Auch Terroristen bleiben Staatsbürger“. Die Ausweisung von Staatsbürgern, die sich eines terroristischen Verbrechens schuldig gemacht haben, könnte die Gefahr einer Stigmatisierung beiwohnen. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Ausweisung häufig Menschen mit mehrfachem ethnischer Hintergrund treffen würde.
In Deutschland ist ein Verbrechen strafbar, unabhängig von Herkunft, Glauben und Abstammung. Folge sind Haftstrafen und andere probate Mittel, keine Entbürgerung.
Deutlich wird, dass überall nach einer effizienten Handhabung zur Bekämpfung des Terrorismus gesucht wird. Gemein haben alle das Ziel: Sicherheit im eigenen Land. Der Weg dahin bleibt jedoch verschieden.
https://www.tagesspiegel.de/politik/doppelte-staatsangehoerigkeit-auch-terroristen-bleiben-staatsbuerger/21173886.html
https://deutsch.rt.com/international/79789-australien-plant-passentzug-fuer-terroristen/
https://theconversation.com/the-latest-citizenship-stripping-plan-risks-statelessness-indefinite-detention-and-constitutional-challenge-107439
https://www.sbs.com.au/news/government-s-citizenship-stripping-plan-could-lead-to-statelessness-and-indefinite-detention
https://www.nau.ch/politik/international/australien-will-terroristen-staatsburgerschaft-entziehen-65457660
https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/inneres/auslaender/staatenlose/unsichtbare-minderheit
https://www.abc.net.au/news/2018-11-23/lawyers-warn-of-risks-to-citizenship-laws/10546372