Zuletzt wurde im Mai dieses Jahres über das Thema berichtet. Inzwischen ist es wieder etwas stiller geworden, um die Diskussion über den sog. Passentzug für Islamisten und Dschihadisten. Doch um was geht es bei dieser Diskussion eigentlich genau? Zeitungen titelten, dass Innenministerium prüfe gerade, ob und wie Terrorkämpfern, die sowohl einen deutschen Pass als auch einen weiteren ausländischen Pass haben, der deutsche Pass entzogen oder weggenommen werden kann. Doch was heißt das?
Zur Klarstellung: Es ist schon nach der derzeit geltenden Gesetzeslage, § 8 PassG, möglich einem gewaltbereiten Islamisten, der schwere staatsgefährdende Gewalttaten vorbereitet, den Reisepass zu entziehen. Ziel des Ganzen ist es eine Ausreise zu verhindern und damit auch bestenfalls die Straftat an sich. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist nach § 89a StGB eine Straftat gegen das Leben oder die persönliche Freiheit eines Einzelnen, die bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beinträchtigen oder die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, zu untergraben oder außer Geltung zu setzen.
Demnach dreht sich die geführte Debatte, sprachlich oft missverständlich ausgedrückt, vielmehr um den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit von Terroristen, die sich entschieden haben in den Nahen Osten zu reisen, um dem IS beizutreten und für ihn zu kämpfen.
Diese Überlegungen des Innenministeriums sind nicht gänzlich neu. Immer wieder werden Stimmen aus den verschiedensten Ländern der Welt laut, die das Gleiche fordern. Eine Debatte, die nicht nur in Deutschland kontrovers geführt wird.
Die australische Regierung hat nun das getan worüber hierzulande noch diskutiert wird. Anfang August wurde bekannt, dass Australien fünf Terroristen die australische Staatsangehörigkeit entzogen hat. Grund hierfür war ihre Tätigkeit für den IS. Dies hatte es zuvor nur ein einziges Mal gegeben. 2017 verlor ein IS-Anhänger als erster Australier seine australische Staatsangehörigkeit auf Grund seines Kampfeinsatzes im Irak und in Syrien. Ein solches Vorgehen hatte eine Gesetzesänderung im Jahr 2015 überhaupt erst möglich gemacht.
Diese nicht unumstrittenen Gesetzesänderung „Allegiance to Australia Act“ ermöglicht es dem Premierminister seitdem Doppelstaatlern die australische Staatsangehörigkeit zu entziehen, wenn ein Staatsbürger zu einer Gefängnisstrafe von mindestens 6 Jahren verurteilt wurde wegen Terrorismus, Spionage oder Hochverrat. Darüberhinaus wurden zwei weitere Fälle aufgenommen, die ein automatisches Erlöschen der Staatsangehörigkeit zur Folge haben. Dies geschieht zum einen, wenn ein Australier gegen seine staatsbürgerliche Treuepflicht verstößt, indem er zum Beispiel einen Terrorakt vollzieht. Zum anderen tritt der Verlust automatisch ein, wenn ein Australier für eine ausländische Armee in den Krieg zieht oder einer anerkannte Terrororganisation dient.
Die Erlöschungstatbestände scheinen zunächst eindeutig und klar geregelt zu sein. Doch in tatsächlicher Hinsicht ist es eine reine Fiktion, dass eine Staatsangehörigkeit automatisch erlischt, denn ein Pass wird weder automatisch unwirksam, noch eine Staatsangehörigkeit automatisch aberkannt. Eben auch in diesen Fällen bedarf es einer aktiven Entscheidung der Regierung. Dieser vermeintlich greifende Automatismus wirft darüberhinaus auch die Frage auf, ob in einem solchen Fall ein rechtsstaatliches Verfahren eingehalten und eine Kontrolle des Prozedere durch Gerichte gewährleistet werden kann.
Ein weiterer Knackpunkt ist, dass diese Gesetze nur für Terroristen greifen, die zwei Staatsangehörigkeiten besitzen. Das Völkerrecht verbietet einen Entzug der „einfachen“ Staatsangehörigkeit, da eine Staatenlosigkeit grundsätzlich vermieden werden soll. Ausnahmen von diesem Grundsatz entstehen lediglich, wenn das Landesrecht eines Staates vorsieht, dass die Staatsangehörigkeit zurückgenommen werden kann, wenn diese z.B. durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder vorsätzliche unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. In Deutschland ist dies auf Grund von § 35 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) möglich.
Zudem erhält der Entzug einer von zwei Staatsangehörigkeiten eine weitere Dimension. Eine zeitliche. Entscheidend ist nämlich welches Land zuerst eine der beiden Staatsangehörigkeiten entzieht. Es ist ein Wettrennen, da dem langsameren Land, auf Grund der internationales Regelung, der Entzug mit großer Wahrscheinlichkeit verwehrt bleiben wird. Die Folge ist, dass sich das Land, das die Staatsangehörigkeit entzieht, sich eines „Problems“ entledigt, während das zweite Herkunftsland alleine zurückgelassen wird mit der Problemlösung. Dies erscheint im Hinblick auf das globale Terrorismusproblem und international agierender Terrornetzwerke eher eine schnelle nationale Lösung als ein durchdachter Schritt der Radikalisierung und Terror bekämpfen soll.
Während in Australien jedoch die Umsetzung und Effektivität des Anti-Terrorgesetzes Fragen aufwirft, ist in Deutschland schon die Schaffung eines ähnlichen Gesetzes ein komplizierteres Unterfangen.
Zunächst muss man die Begriffe Entzug, Verlust und Rücknahme auseinanderhalten. Ausgangspunkt von allem ist Art. 16 des Grundgesetzes (GG). Danach ist ein Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft verboten. Jedoch eröffnet Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG die Möglichkeit, dass die deutsche Staatsangehörigkeit verloren werden kann, auch gegen den Willen des Betroffenen. Voraussetzung hierfür ist aber zum einen, dass der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird und zum anderen, dass dies nur auf Grundlage eines Gesetzes geschehen kann.
Hintergrund für das Verbot des Entzuges ist die NS-Zeit, in der willkürlich deutsche Pässe annulliert wurden. Dem Umstand, dass es jedoch auch Fälle gibt, in denen ein Verlust gerechtfertigt sein kann, wird durch Art. 16 Abs. 1 S.2 GG ebenso Rechnung getragen.
Für einen wirksamen Verlust bedarf es also eines gesetzlichen Verlusttatbestandes. Die nach dem Grundgesetz geforderte gesetzliche Grundlage ist derzeit das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG). Dieses regelt neben dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auch deren Verlust oder die eingeschränkten Möglichkeiten neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine weitere zu besitzen.
Schon jetzt sieht das StAG den Verlust der Staatsangehörigkeit vor, wenn ein Deutscher in ausländischen Streitkräfte oder in einen vergleichbaren bewaffneten Verband eintritt, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, §§ 12 Abs. 1 Nr 5., 28 StAG.
Diese Vorschriften sind aber nicht auf den Fall von Terroristen anwendbar. Terroristische Vereinigungen sind nicht unter den Begriff ausländische Streitkräfte zu subsumieren. Terroristische Vereinigungen sind keine anerkannten Staaten, auch der sog. Islamische Staat nicht. Sie üben keine Staatsgewalt aus, haben kein territoriales Staatsgebiet und kein Staatsvolk. Darüberhinaus sind es auch keine vergleichbaren bewaffneten Verbände. Würde man dies bejahen, so käme das der Anerkennung der terroristischen Vereinigung als Organisation gleich. Das wäre bedenklich, da es als Signal gedeutet werden könnte, dass man dieses Netzwerk akzeptiert hat.
Zuletzt scheitert die Anwendung dieser Vorschriften zusätzlich an dem Erfordernis, dass terroristische Vereinigungen, wie bereits dargelegt, keine Staaten sind und somit kein Deutscher deren Staatsangehörigkeit annehmen kann.
Folglich muss ein neuer Verlusttatbestand aufgenommen werden in das StAG, wenn die Bestrebungen des Innenministeriums verwirklicht werden sollen. Eine Gesetzesvorlage liegt derzeit aber noch nicht vor.
Es wird abzuwarten bleiben, ob in dieser Legislaturperiode ein neuer Verlusttatbestand aufgenommen wird. Jedoch muss man sich bei dieser Diskussion bewusst machen, dass die Aufnahme eines solchen, lediglich die legalen Einreisemöglichkeiten in deutsches Staatsgebiet beschränken würden. Er verhindert und mindert nicht die von Terroristen ausgehende Gefahr und trägt nichts dazu bei einer Radikalisierung von Deutschen vorzubeugen. Darüberhinaus sieht man an dem Beispiel von Australien, dass selbst wenn ein solcher Verlusttatbestand besteht, es auf Grund von dünnen Beweislagen schwierig sein kann Staatsangehörigkeiten zu entziehen, da Kampf- und Unterstützungseinsätze für terroristische Vereinigungen oft schlecht nachzuweisen sind.
Quellen:
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/ausbuergerung-csu-will-terroristen-deutschen-pass-wegnehmen-bedenken-in-der-spd/21130426.html
https://www.legislation.gov.au/Details/C2015A00166
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bundesinnenminister-horst-seehofer-plant-passentzug-fuer-islamisten-15534192.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/sicherheitspolitik-groko-will-dschihadisten-ausbuergern-1.3865700
http://www.abc.net.au/news/2017-02-11/islamic-state-fighter-khaled-sharrouf-stripped-of-citizenship/8262268
http://www.abc.net.au/news/2014-08-14/khaled-sharrouf:-the-australian-radical-fighting-in-iraq/5671974
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/terror-spd-unterstuetzt-geplanten-passentzug-fuer-islamisten-unter-einer-bedingung/21160924.html?ticket=ST-1554993-dbWo44LfQbfL5nlScW29-ap4
http://www.abc.net.au/news/2018-08-09/islamic-state-terrorists-lose-australian-citizenship/10092678
Prof. Dr. Günther Krings, ZRP, 2015, 167